WiYou.de - Ausgabe 04/2021

Dresscode ©Annette Schindler stock.adobe.com Kleider machen Leute Im Jahr 1837 veröffentlichte der dänische Erzähler Hans Christian Andersen das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. Darin wird ein Kaiser beschrieben, der sich von zwei Schneidern, die in Wahrheit Betrüger waren, neue Kleider nähen lies. Aus teurem Material und prunkvollen Elementen wären seine neuen Kleider, die er aber nur sehen könne, wenn er seines eigenen Amtes würdig sei. Am Ende des Märchens traut sich kein Mitglied des Hofstaats, dem Kaiser zu sagen, dass er gar keine Kleider trage. Erst ein Kind aus dem Volk stellt fest, dass er gar nichts an habe. Und die Moral von der Geschicht`? Sei nicht leichtgläubig und eitel. Und doch macht Kleidung etwas mit uns. Du bist zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen und musst dir ganz genau überlegen, was du anziehst. Fragen kommen auf: Ziehe ich leger eine gute Jeans und ein weißes Hemd mit Weste an? Wirke ich mit Bleistiftrock und Bluse overdressed? Oder ist das zu Business­ like als Blumenverkäuferin? Betrittst du beispielsweise eine Bank, tragen die Mitarbeiter Oberteile, die bis über den Ellbogen gehen. Sitzt du im Theater und beobachtest einen Dirigenten, wirst du nie seine Handgelenke sehen, denn die Kleiderordnung sieht vor, dass die Ärmel bis dorthin gehen. Im Einzelhandel siehst du die Beschäftigten in ihren logobestickten Kitteln, damit du sie erkennst. Die Kleidung macht etwas mit den Menschen: Ziehst du Arbeitskleidung an, so bist du nicht mehr gänzlich die Privatperson, sondern im Einsatz und für andere Menschen erkennbar. Du bist wie eine Boje im Wasser, die etwas markiert. Ob im Einzelhandel ein weißer Kittel, als Fensterputzer mit einem FirmenTShirt, ein Fischer in Skandinavien in gelber Seemannsjacke oder bei der Polizei in markanter blauschwarzer Uniform. Aber es gibt auch Berufsfelder, in denen ein unsichtbarer Dresscode gilt. „Kleider machen Leute“, natürlich liegt die Bedeutung des Dresscodes im Auge des Betrachters. Es ist aber spannend zu beobachten, dass Menschen eine andere Haltung annehmen, wenn sie ihre (Berufs)Kleidung anziehen – als wären sie Schauspieler auf einer Bühne. Und mit einemMal wird beispielsweise ein Einkauf auf dem Markt zum Erlebnis für alle Sinne. Funfact: Als ich als Abiturientin im Kino arbeitete, war meine Arbeitskleidung eine weiße Bluse und eine blaue Weste. So gekleidet ging ich einmal fix zu Aldi Wasser holen. Da sprach mich eine Frau an und fragte, wo die Milch stünde. Die Aldiverkäufer trugen blaue Kittel. Breit grinsend antwortete ich ihr: „Im zweiten Regal links und Cinestar wünscht Ihnen viel Vergnügen!“ und tippte dabei auf mein KinoLogo auf der Weste. Wir haben beide sehr gelacht. (ba)

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